Unsere Rede zur Mahnwache vom 30. April 2020

Dieser Redebeitrag ist Teil der Mahnwache des Klimaalarm-Bündnisses vom 30. April 2020 unter dem Titel „Klimakrise abwenden – grüne Wende in Münster umsetzen – Solidarität kennt keine Grenzen“.

Die Klimakrise, Flucht und Migration hängen eng miteinander zusammen. Großkonzerne heizen im Schulterschluss mit staatlichen Institutionen das Klima an und verstärken damit Fluchtursachen wie Umweltzerstörung, Dürren, Überschwemmungen, Armut und Kriege. Jedes Jahr sterben tausende Menschen auf der Flucht. Viele ertrinken im Mittelmeer. Wer überlebt und nach Europa kommt, wird hier rassistisch diskriminiert und kriminalisiert.

Schon heute zerstören die Folgen der globalen Erwärmung weltweit Lebensgrundlagen, etwa wenn durch den Anstieg des Meeresspiegels dicht bevölkerte Küstengebiete verloren gehen, Böden erodieren und Grundwasserspeicher versalzen. Oder wenn in bereits von Dürre bedrohten Regionen die ohnehin geringen jährlichen Niederschläge ausbleiben und dadurch die landwirtschaftliche Nutzung von Ackerflächen für den Anbau von Nahrungsmitteln zurückgeht oder gänzlich unmöglich macht.

Die Möglichkeit für Menschen im globalen Süden, sich an zunehmende Wetterextreme oder die schleichende Auswirkungen des Klimawandels anzupassen, sind begrenzt. Die unmittelbaren Schäden sind nur schwer abzumildern. Oft reicht schon ein einziger Sturm, um die Existenzgrundlage tausender Menschen zu vernichten. Häufig bleibt nur die Flucht. Nur die Allerwenigsten können wieder zurückkehren. Eine Heimkehr bleibt langfristig unmöglich, wenn das einst bewohnte Land irreversibel zerstört ist oder den einstigen Bewohner:innen schlicht die notwendigen Mittel für die Rückgewinnung ihrer verloren Lebenswelten fehlen. Strukturelle Armut verstärkt die Folgen des Klimawandels, und er trifft zuallererst die Ärmsten der Armen. In Deutschland wird häufig immer noch von Klimawandel gesprochen. Für den globalen Süden ist es bereits jetzt eine Klimakatastrophe.

Die wichtigste Versicherung gegen den Klimawandel und seine Folgen bleibt nach wie vor seine größtmögliche Begrenzung durch rasches und drastischen Handeln. Im Kampf gegen die Klimakrise verlangt es mehr als „marktwirtschaftliche Lösungen“. Denn die derzeitigen Produktionsweisen und der westliche Lebensstil ist doch selbst Ursache des Problems.

Die Mitverursacher:innen der Klimakrise in Europa schotten sich währenddessen ab. Sie nehmen in Kauf, dass Menschen tagtäglich auf der Flucht sterben. Das Fehlen einer Klimapolitik ist kein Zufall, sondern eine bewusste Politik der unterlassenen Handlung. Die europäische Politik orientiert sich nicht am Wohl der Menschen. Sie ist geprägt durch die Interessen der Kohle-, Auto- und Rüstungskonzerne.

Die aktuelle menschenverachtende Politik sieht einfach beim Massensterben der Menschen auf dem Mittelmeer oder beim größten Aussterben von Tierarten in der Erdgeschichte zu, anstatt sich für eine grundlegende Veränderung der derzeitigen Wirtschaftsweise einzusetzen.

Tagtäglich ereignen sich unzählige Tragödien und gescheiterte Fluchtgeschichten im Mittelmeer, innerhalb Afrikas oder entlang der Außengrenzen der Europäischen Union. Wenn ein marodes Boot mit hunderten Geflüchteten kentert, dann  interessiert es die Öffentlichkeit nicht. Die Geflüchteten werden entpersonalisiert: Sie haben kein Gesicht, tragen keinen Namen und haben keine Geschichte.

Wir haben in den letzten Jahren im Mittelmeer eine bittere Lektion lernen müssen. Uns wurde vor Augen geführt, dass zwar die despotischen Regime in Nordafrika durchaus gestürzt werden können. Die europäische Abschottungspolitik und Abwehrhaltung gegenüber Schutzsuchenden dagegen ist beständig brutal und gnadenlos geblieben.

Erst in diesem Jahr hat der Menschenrechtssauschuss der Vereinten Nationen festgestellt, dass die Klimakrise ein Asylgrund sein kann und ein Land keinen Menschen abschieben darf, der Asyl sucht, weil die Klimakrise sein Leben im Heimatland gefährdet. Und doch müssen wir seit Monaten und Jahren dabei zugucken, wie Menschen auf der Flucht die Hilfe verweigert wird, wie das Resettlement-Programm und Asyl-Verfahren eingestellt werden.

Ein französischer Philosoph Lévy sagte einmal: „Europa ist kein Ort, sondern eine Idee der Humanität“. Geflüchtete und Migrant:innen werden aber weiterhin von dieser Idee ausgeschlossen. Die Klimakrise ist auch eine rassistische Krise.

Es steht unzweifelhaft fest: Die durch den Klimawandel ausgelöste Migration, ob erzwungen oder freiwillig, stellt weltweit eine erhebliche gesellschaftliche Herausforderung dar. Wir müssen diese Herausforderung sowie die Klimakrise gemeinsam angehen.

Die Antworten können nicht nur Seenotrettung und Klimaschutz sein. Menschen aus Seenot retten und gegen die Klimakrise zu rebellieren sind Notwendigkeiten. Aber wir brauchen echte Solidarität. Wir brauchen echte Klimagerechtigkeit. Und für uns bedeutet das vor allem auch das Recht anzukommen, das Recht zu bleiben und das Recht nachzukommen. Und es bedeutet Menschenrechte, wie die Bewegungsfreiheit, für alle Menschen weltweit durchzusetzen. Wir brauchen einen tiefergehenden Wandel für globale soziale Gerechtigkeit.

Die Klimakrise ist im vollen Gange und muss jetzt gestoppt werden. Es ist an uns, für eine humane Welt in der Zukunft zu sorgen. Dafür zu sorgen, dass diese Welt bewohnbar bleibt – und zwar für alle Menschen und überall.

Wir stehen solidarisch an der Seite derer, die gegen die aktuelle Klimapolitik protestieren und mit zivilem Ungehorsam die zerstörerische Verkehrsindustrie, Kohleinfrastruktur oder Massentierhaltung blockieren.